
#WomenInScience: Interview mit Thuy Anh Nguyen
19.11.2021
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"Für die Forschung ist es gut, einen langen Atem zu haben, nicht alles funktioniert wie geplant."


Erzählen Sie uns etwas über sich in fünf Sätzen, das Sie fachlich wie auch menschlich beschreibt.
Mein Name ist Thuy Anh Nguyen. Ich bin Medizinstudentin und lerne gerade für das 2. Staatsexamen. Ich finde die Medizin sehr spannend und vielfältig. Die Zeit in der Klinik ist sehr abwechslungsreich: mal untersucht man Patient:innen, mal assistiert man im Operationssaal oder in Konsultationen oder kümmert sich um stationierte Patient:innen. Es wurde mir in der Klinik nie langweilig. Und am Ende des Tages hatte ich das Gefühl, doch einigen Patienten geholfen zu haben. Nebenbei lerne ich gerade, mit Python zu programmieren, so konnte ich bereits Analysen in meiner Doktorarbeit vereinfachen und standardisieren. Programmierkenntnisse sind sicherlich nützlich für klinische Studien später im Berufsalltag.
Seit wann sind Sie an der Charité und was ist Ihr Arbeits- oder Studienschwerpunkt?
Ich studiere seit 2016 Humanmedizin im Modellstudiengang an der Charité. Neben dem Studium arbeite ich gerade an meiner labor-experimentellen Doktorarbeit an der Klinik für Nephrologie.
Können Sie etwas genauer auf Ihr Forschungsgebiet eingehen?
Ich beschäftige mich im Rahmen der Promotion mit der autosomal dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD), einer genetischen Erkrankung, bei der die Nieren im Laufe des Lebens Hohlräume (Zysten) bilden und durch Verdrängung des gesunden Nierengewebes bei den meisten Patienten zum terminalen Nierenversagen führt. Ähnlich wie Tumorzellen sind Zystenzellen mit Progression der Krankheit mehr zellulärem Stress ausgesetzt. Wir versuchen, die Kompensationsmechanismen der Zystenzellen gegen zellulären Stress auszuschalten, sodass diese in Apoptose (den Zelltod) gezwungen werden. Dies wäre ein möglicher Therapieansatz, um die Progression von ADPKD, für die es aktuell keine Heilung gibt, zu verhindern.
Warum haben Sie sich (damals) für die Charité entschieden?
Die Charité ist ein angesehenes Uniklinikum, das Expert:innen in Klinik und Forschung vereint – für mich eine besondere Möglichkeit, die medizinische Ausbildung anzufangen. Der Weg zur Charité war auch eine Herzens-Entscheidung, da ich in Berlin groß geworden bin.
Was hat den Ausschlag gegeben, sich für eine Karriere in der Medizin zu entscheiden?
Ich bin ein wissbegieriger Mensch. Dass man in der Medizin lernt, wie man Krankheiten erkennt und Patient:innen optimal behandelt, hat mich zur Entscheidung gebracht, Medizin zu studieren. Ich fühle mich in der Medizin sehr wohl und freue mich schon darauf, selbst Patient:innen zu betreuen. Klar habe ich großen Respekt vor der Verantwortung, aber man lernt von erfahrenen Ärzt:innen und bespricht wichtige Entscheidungen im Team.
Gab es besondere Herausforderungen oder Hürden in Ihrer (bisherigen) Karriere?
In der Forschung dauert es meist länger als anfangs erwartet. Um Versuchsbedingungen zu optimieren, musste ich diese sehr oft wiederholen. Denn meist verlaufen Versuche nicht wie geplant, dann muss man es analysieren und nochmal neu starten. Ein großer Rückschlag war, dass ich aufgrund des Lockdowns meinen Aufenthalt bei Prof. Stefan Somlo an der Yale Medical School früher beenden musste als geplant. Aber ich konnte das Projekt bei Dr. Matteus Krappitz an der Charité fortsetzen.
Haben Sie im Laufe Ihrer Karriere Hilfe von Mentor:innen oder Förderprogrammen erhalten?
Mit meinen Doktorbetreuern Dr. Matteus Krappitz an der Charité und Dr. Sorin Fedeles an der Yale University konnte ich immer über Ergebnisse diskutieren und bei Schwierigkeiten um Rat fragen. Das BIH-MD-TRENAL-Stipendium hat mich während der Promotion, das Deutschlandstipendium während des Studiums gefördert.
Was raten Sie Frauen, die eine Karriere in der Medizin anstreben?
Nur Mut! Etwa die Hälfte meiner Mitstudierenden sind Frauen. Wenn Sie sich für Medizin und Patientenversorgung begeistern, spricht nichts dagegen anzufangen. Für die Forschung ist es gut, einen langen Atem zu haben, nicht alles funktioniert wie geplant. Es gibt zwar noch männerdominierende Fächer wie Unfallchirurgie, aber das sollte Frauen nicht hindern – die Leidenschaft zählt.
Was muss sich ändern, damit mehr Frauen in Führungspositionen vertreten sind?
Es ist wichtig, dass Kliniken familienfreundlichere Arbeitgeber werden. Wenn Frauen, die schwanger sind oder eine Schwangerschaft planen, in der Facharztausbildung nicht benachteiligt werden, dann können sie ihre beruflichen Ziele erreichen und Erfahrungen für Führungspositionen sammeln.
Wo sehen Sie sich in beruflicher Zukunft?
Ich möchte gern als Ärztin sowohl in der Klinik als auch in der Forschung tätig sein. Ob Nephrologie oder eine andere Fachrichtung – für diese Entscheidung habe ich noch ein Jahr Zeit.