
#WomenInScience: Interview mit Eva Vanessa Schrezenmeier
19.08.2022
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"Investieren Sie in den Aufbau von Netzwerken, sowohl im Beruf wie auch privat, diese sind unersetzlich."


Erzählen Sie uns etwas über sich in fünf Sätzen, das sie fachlich wie auch menschlich beschreibt.
Ich bin wissenschaftlich tätige Ärztin an der Charité. Ich interessiere mich klinisch für Patient:innen mit Nierenerkrankungen und wissenschaftlich besonders für deren Immungedächtnis. Ich bin neugierig und begeisterungsfähig. Ich organisiere gerne und habe dafür ein Talent. Ich lebe zusammen mit meinem Mann und meinen drei Töchtern.
Seit wann sind Sie an der Charité und was ist Ihr Arbeitsschwerpunkt?
Ich habe 2007 mein Studium der Humanmedizin an der Charité begonnen und arbeite seit 2014 in der Klinik mit Schwerpunkt Nephrologie und Internistische Intensivmedizin. Mein wissenschaftlicher Schwerpunkt beschäftigt sich mit immunologischen Fragestellungen bei nierenkranken Patient:innen.
Können Sie etwas genauer auf Ihr Forschungsgebiet eingehen?
Ich beschäftige mich mit dem Immungedächtnis bei Patient:innen mit systemischer Autoimmunität (eine gegen sich selbst gerichtete Entzündungsreaktion) und Nierenbeteiligung sowie zum Beispiel dem Systemischen Lupus Erythematodes oder Gefäßentzündungen (Vaskulitiden). Außerdem interessiere ich mich für Impfantworten bei durch Dialyse, Nierentransplantation oder durch die Behandlung einer Autoimmunerkrankung immungeschwächten Patient:innen. Mein besonderer Schwerunkt liegt hierbei stets auf einer besonderen Art von Lymphozyten, den B-Zellen. B-Zellen gehören zusammen mit den T-Zellen zu dem Teil des Immunsystems, der sich an neue Krankheitserreger anpassen kann.
Warum haben Sie sich damals für die Charité entschieden?
Nach der Schule wollte ich vor allem nach Berlin. Im Studium habe ich dann bereits in der Nephrologie als studentische Mitarbeiterin gearbeitet. Hier fühlte ich mich wohl und wertgeschätzt und habe mich deshalb dazu entschlossen, auch meine Facharztausbildung in der Nephrologie zu machen.
Was hat den Ausschlag gegeben, sich für eine Karriere in der Medizin zu entscheiden?
Mir hat an der Medizin gefallen, und gefällt weiterhin an der Medizin, dass man viele verschiedene Optionen hat. Man kann zum Beispiel nur praktisch tätig sein, man kann aber auch als Wissenschaftler:in arbeiten oder eben beides.
Gab es besondere Herausforderungen oder Hürden in Ihrer bisherigen Karriere?
Ich habe die einem oftmals entgegengebrachte Meinung, dass die Karriere einer Frau mit der Geburt von Kindern beendet sei, als sehr schmerzhaft empfunden. Es kostete einiges an Kraft, hier meinen eigenen Weg zu gehen, trotzdem früh weiter zu arbeiten und mir viele Kommentare nicht so zu Herzen zu nehmen. Auch täglich begegnen einem kleine Hürden wie zum Beispiel: Was tun, wenn ein Kind krank ist? Wieso finden Netzwerkveranstaltungen immer am Abend statt?
Haben Sie im Laufe Ihrer Karriere Hilfe von Mentor:innen oder Förderprogrammen erhalten?
Ich bin seit 2015 im Clinician Scientist Programm der Charité und des Berlin Institute of Health (BIH). Natürlich habe ich stark von der Freistellung für Forschung profitiert, aber auch vom Clinician Scientist Netzwerk. Ich durfte hier viele inspirierende Frauen kennenlernen. Im Charité Mentoring Programm konnte ich mich vor allem mit Kolleginnen in ähnlichen beruflichen Situationen und mit ähnlichen Problemen austauschen. Das ist wichtig und es tut gut zur hören, dass man mit seinen Erfahrungen nicht allein ist. Aktuell nehme ich an einem Mentoring Programm der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie teil und habe einen Mann als Mentor. Ich habe den Eindruck, dass man an verschiedenen Punkten auf seinem Werdegang die Unterstützung ganz unterschiedlicher Menschen braucht, die einen voranbringen.
Was raten Sie Frauen, die eine Karriere in der Medizin anstreben?
Investieren Sie in den Aufbau von Netzwerken, sowohl im Beruf wie auch privat, diese sind unersetzlich. Ansonsten kann ich die Tätigkeit in der Forschung sehr empfehlen, besonders in den Lebensjahren mit besonders vielen Familienaufgaben. Inzwischen gibt es eine Reihe von Programmen für Clinician Scientists. In den Forschungszeiten ist man zeitlich deutlich flexibler als in einer rein klinischen Tätigkeit und kann weiter aktiv an seinem Weiterkommen arbeiten.
Was muss sich ändern, damit mehr Frauen in Führungspositionen vertreten sind?
Es müssen sich viele gesamtgesellschaftliche Aspekte (Gleichverteilung von Familien- und Pflegeaufgaben, Aufbrechen von Männernetzwerken, Anpassen einer Erfolgsdefinition, die sich an männlichen Lebensentwürfen orientiert, qualitativ gute Kinderbetreuung und vieles mehr) ändern, bevor es wirklich nachhaltige Chancengleichheit und in der Folge auch mehr Frauen in Führungspositionen geben kann.
Wo sehen Sie sich in beruflicher Zukunft?
Ich sehe meine nahe und mittlere berufliche Zukunft weiter in der Universitätsmedizin mit allen ihren spannenden Facetten zwischen Patientenversorgung, Wissenschaft und Lehre.