
Neue Erkenntnisse zur Entstehung von Darmkrebs bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen
28.10.2024
Sie befinden sich hier:
Gestörtes Reparaturprogramm der Darmoberflächenzellen begünstigt Entstehung von Darmkrebs
Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Max Delbrück Center haben neue Erkenntnisse gewonnen, wie sich ein geschädigter Darm regeneriert und welche Bedeutung dies für die Entstehung von Darmkrebs hat. Hier beantworten sie Fragen zu ihren Forschungsergebnissen.
Welche wissenschaftliche Fragestellung liegt Ihrer Studie zugrunde?

Das Projekt von Kimberly Hartl, Doktorandin in der Gruppe von Prof. Michael Sigal, beschäftigt sich mit der Entstehung und dem Verlauf von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa (CU). Es zielt darauf ab zu verstehen, warum Patient:innen mit diesen Erkrankungen ein höheres Risiko haben, an Darmkrebs zu erkranken und gehäuft spezifische genetische Veränderungen in den Darmepithelzellen aufweisen, also den Zellen, die die innere Oberfläche des Darms auskleiden
Was haben Sie herausgefunden?
Wir wollten zunächst herausfinden, wie genau die Darmepithelzellen auf eine Schädigung reagieren. Dazu haben wir untersucht, welche Rolle das Protein P53 bei der Regeneration des Darmepithels spielt. P53 ist als sogenannter Tumorsuppressor zentral für die Regulierung des Zellzyklus und hilft, die Entstehung von Krebs zu verhindern. Ist es aktiviert kann es dafür sorgen, dass die Zellteilung stoppt. Nachdem also das Darmepithel geschädigt wurde und anschließend durch Zellteilung genug neue Zellen entstanden sind, um die alten zu ersetzen, muss der Teilungsprozess durch P53 angehalten werden.
Wir haben nun festgestellt, dass der regenerative Zustand mit einer starken Aktivierung des P53-Signalwegs einhergeht, der ansonsten im Darm kaum aktiv ist. Die Aktivierung dieses Signalwegs ist essenziell, um den Ausnahmezustand bei der Regeneration wieder zu beenden und in den Normalzustand zurückzukehren. Bei Menschen mit Colitis ulcerosa ist das P53-Gen häufig mutiert und der Signalweg dadurch gestört. Die Zellteilung stoppt dann nicht, die Zelle teilt sich unkontrolliert weiter und ein Tumor kann entstehen.
Was hat Sie überrascht?
Wir hatten in diesem interdisziplinären Projekt die Möglichkeit, die Stoffwechselvorgänge in den Darmepithelzellen mit Hilfe spezieller Methoden sehr genau zu charakterisieren. Dabei fiel uns folgendes auf: Fehlt das Protein P53, beispielsweise aufgrund von Mutationen, geht das mit einer dramatischen Veränderung im Zellstoffwechsel einher. Unsere Experimente zeigten, dass die mutierten Zellen von einer ganz bestimmten Art des Glukoseabbaus abhängig sind. Blockiert man diese gezielt medikamentös, sterben die mutierten Zellen ab, während die gesunden Zellen am Leben bleiben.
Wie sind Sie vorgegangen?
Mit Hilfe genetisch modifizierter Mausmodelle sowie komplexer, gewebeähnlicher Zellkulturmodelle, sogenannter Organoide und Assembloide, haben wir analysiert, wie sich der Regenerationsprozess verändert, wenn Epithelzellen das P53-Gen fehlt. Mittels Proteinanalyse konnten wir anschließend genau untersuchen, welche Enzyme des Energiestoffwechsels die Regeneration antreiben und welchen Einfluss P53 darauf hat.
Welches Fazit können Sie ziehen?
Dieses grundlagenwissenschaftliche Projekt zeigt, dass Menschen mit Colitis ulcerosa, die an Darmkrebs erkranken, häufig mutierte P53-Gene aufweisen. Damit liefert es eine Erklärung für das erhöhte Krebsrisiko von Patient:innen mit einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung. Wir freuen uns besonders, dass wir Wege aufgezeigt haben, wie man möglicherweise sehr früh, noch bevor sichtbare Veränderungen entstehen, Krebsvorläufer bei Patient:innen mit Colitis ausschalten könnte.
Quelle
Hartl, K. et al. p53 terminates the regenerative fetal-like state after colitis-associated injury. Science Advances 2024, October 25, doi: 10.1126/sciadv.adp8783
Kontakt
Prof. Dr. Michael Sigal
Professor für Translationale Gastrointestinale Onkologie, Leitung Luminale Gastroenterologie
Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Hepatologie und Gastroenterologie
Charité – Universitätsmedizin Berlin