
Forschende berichten: Neue Erkenntnisse zur Arsenbelastung
17.05.2023
Sie befinden sich hier:
Geringgradige Arsenexposition kann zu Veränderungen im Gehirn führen
Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Indian Consortium on Vulnerability to Externalizing Disorders and Addictions (cVEDA) haben neue Erkenntnisse zu der komplexen Beziehung zwischen Umwelt und Gehirn gewonnen. Hier beantworten sie Fragen zu ihren Forschungsergebnissen.
Welche wissenschaftliche Fragestellung liegt Ihrer Studie zugrunde?

Arsen ist ein Toxin, das im Boden und im Wasser natürlich vorkommt und sich in Nutzpflanzen, wie zum Beispiel in Reis, anreichern kann. Chronisch hohe Arsenbelastung kann zu Hauterkrankungen und erhöhtem Krebsrisiko führen. Kognitive Anomalien wurden vereinzelt beschrieben, aber nie systematisch erfasst, insbesondere nicht bei der Belastung mit geringeren Dosen von Arsen. Da geringgradige Arsenexposition in manchen Ländern wie zum Beispiel Argentinien, Bangladesch, China, Indien oder USA weite Teile der Bevölkerung betrifft, haben wir den Zusammenhang zwischen Arsenbelastung, Veränderungen des Gehirns und dem Verhalten untersucht.
Wie sind Sie vorgegangen?
Wir haben bei 1014 indischen Kindern und Jugendlichen die Arsenkonzentration im Urin gemessen, die Gehirnstruktur und -funktion mit Hilfe von Magnetresonanztomographie (MRT) untersucht und kognitive Leistungen mit neuropsychologischen Tests erfasst. Zudem haben wir die Ernährung und den Wohlstand der Teilnehmenden durch die Bestimmung des Body-Mass-Indexes (BMI) und des sozioökonomischen Status (SES) erfasst.
Was haben Sie herausgefunden?
Wir haben einen Zusammenhang zwischen erhöhter Arsenbelastung und geringeren kognitiven Funktionen entdeckt, die sich in einer gesteigerten Impulsivität, einer niedrigeren Konzentration und anderen Verhaltensauffälligkeiten äußert. Diese Verhaltensauffälligkeiten lassen sich durch Veränderungen der Struktur und Funktion des Gehirns, insbesondere im frontalen Gehirnlappen, erklären. Die Veränderungen waren abhängig vom BMI und SES, wobei eine gute Ernährung und bessere Lebensbedingungen das Risiko für Arsen-abhängige Veränderungen im Gehirn und Verhalten reduzieren.
Was hat Sie überrascht?
Selbst eine geringe Belastung mit Arsen durch die Nahrungsaufnahme kann Auswirkungen auf unser Gehirn und Verhalten haben.
Welches Fazit können Sie ziehen?
Unsere Studie liefert wichtige Erkenntnisse über die komplexen Beziehungen zwischen Umwelt, Gehirn und Verhalten. Sie unterstreicht die Notwendigkeit strengerer Grenzwerte von Toxinen wie Arsen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und zeigt die Notwendigkeit, ernährungs- und sozioökonomische Bedingungen zu verbessern, um schädliche Auswirkungen einer Arsenexposition abzumildern.
Quelle
Vaidya N et al. Neurocognitive Analysis of Low-level Arsenic Exposure and Executive Function Mediated by Brain Anomalies Among Children, Adolescents, and Young Adults in India. JAMA Network Open. 2023 May 12. doi:10.1001/jamanetworkopen.2023.12810
Kontakt
Prof. Dr. Gunter Schumann
Forschungsbereich Neurowissenschaftliche Populationswissenschaft (PONS)
Charité – Universitätsmedizin Berlin